Bagheria ist für zwei Dinge bekannt - die Mafia und die Villen. Ja, da gibt es einen Zusammenhang. Die Villen wurden im 17. und 18. Jahrhundert von Feudalherren als Sommerfrische gebaut. Ansonsten wohnten Sie in ihren Palästen in und überließen ihre Ländereien Verwaltern.
Das war ein fataler Fehler. Aus den Verwaltern wurden bald die eigentlichen Herren Siziliens - die Paten. Bagheria war nicht länger nur die Sommerfrische reicher Palermitaner, sondern auch Hochburg der Mafia. Hier wurde z.B. das Heroin für die "Pizza Connection" in den USA gekocht.
Feudalherren und Mafiosi sind mittlerweile weitgehend verschwunden, die Villen aber sind noch da. Einige von ihnen stehen Sizilien Urlaubern sogar offen und bieten einen Blick auf den morbiden Charme längst vergangener Zeiten.
Die Informationen auf dieser Seite stammen von unserer Sizilien-Expertin Britta Bohn.
Britta beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Alltag und dem Leben auf Sizilien.
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Das Zentrum von Bagheria ist eine Fußgängerzone (türkiser Strich im Stadtplan)! Was daran so besonders ist? Fußgängerzonen sind in sizilianischen Städten eine Seltenheit. Die mittelalterlichen Innenstädte sind an Fußgänger und Eselskarren angepasst, nicht aber an den heutigen Verkehr. Für ihn gibt es also keine Ausweichmöglichkeiten.
Und so ist die Fußgängerzone von Bagheria auch eine "Kompromisszone". Sie ist nachmittags, abends und am Wochenende komplett für Autos gesperrt. Nachts und vormittags dürfen Autos mit max. 30 km/h passieren.
Möchten Sie also ungestört von Autos - natürlich vor einer Bar sitzend - das Alltagstreiben einer sizilianischen Innenstadt beobachten, dann ist der Nachmittag die perfekte Zeit dafür. Tipp: die Fußgängerzone wird zwar ab 14:00 für Autos gesperrt, "Leben in die Bude" kommt aber erst ab ca. 16:00. Dazwischen ist Siesta.
Haben Sie genug gesehen, bietet sich natürlich die Möglichkeit des Shoppings: Wen italienische Mode interessiert, der muss dafür nicht extra nach Palermo fahren. Sie ist hier ja kein Sonderfall. Im Gegenteil - Sizilien ist schließlich die Heimat eines gewissen Domenico Dolce.
Bagheria ist bekannt als die "Stadt der Villen" und die Villa Palagonia (brauner Marker 20 im Stadtplan) liefert das Logo dazu: die "Monster" am Eingang (siehe Bild rechts).
Monster? Na ja - aus heutiger Sicht sind die beiden wohl eher putzige Kerlchen. Auch die vielen anderen Figuren - besonders auf den Aussenmauern - jagen niemanden mehr einen Schrecken ein.
Im 18. Jahrhundert war das allerdings ganz anders. Die Villa Palagonia war Thema aller damaliger Sizilien-Reisender - und wurde regelmäßig verrissen. Goethe schrieb z.B.:
"Das Widerliche dieser von den gemeinsten Steinhauern gepfuschten Mißbildungen..."
[Entnommen Goethe: Italienische Reise - Sizilien]
Der Germanist Achim Aurnhammer (s.u.) erklärt die breite Ablehnung der Villa Palagonia so: Die Sizilien-Reisenden des 18. Jahrhunderts suchten auf Sizilien vor allen Dingen die Spuren der griechischen Antike. Barocke Villen passten so gar nicht zu diesen Erwartungen. Und dann auch noch verhutzelte barocke Monster - welch' ein Skandal!
Was aber steckte hinter den Monstern? Ein Irrer? Ein durchgeknallter Fürst der Finsterniss? Keiner weiss es. Die einzig belastbare Information ist, daß nicht der ursprüngliche Bauherr - der Fürst von Palagonia - die Figuren in Auftrag gegeben hatte, sondern sein Enkel.
Was auch immer die Motivation war, ein Besuch der Villa Palagonia lohnt sich auf jeden Fall. Heutige Sizilien Urlauber finden sie eingebettet in das Stadtzentrum von Bagheria. Das Bild unten zeigt dagegen die Villa Palagonia in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie stand damals in einem riesigen Garten:
Das große Tor im Vordergrund war der damalige Haupteingang und ein langer, von Monstern "bewachter" Weg führte zum Hauptgebäude. Heute steht das Tor ein wenig verlorgen inmitten der Stadt und hat eine religiöse Bedeutung bekommen (Arco del Padre Eterno, brauner Marker 21 im Stadtplan). Das Bild wurde dem Buch "Voyage pittoresque des isles de Sicile, de Malte et de Lipari" des französischen Malers J. Houel (1735-1813) entnommen.
Der Palazzo Villarosa (brauner Marker 15 im Stadtplan) wurde im 18. Jahrhundert vom Herzog von Villarosa gebaut. Villarosa liegt zwar im Landesinneren Siziliens aber wer etwas auf sich hielt, hatte natürlich eine große Villa in Bagheria. Zumal, wenn man aus einer der wichtigsten sizilianischen Adelsfamilie stammt - den Notarbartolos. Mit dem Niedergang des sizilianischen Adels gelangte deren Eigentum mehr und mehr in "bürgerliche Hand". So auch der Palazzo Villarosa. Er wurde kurz vor dem 2. Weltkrieg von der Familie Aiello gekauft, renoviert und dient seitdem Tagungen, Empfängen und Hochzeiten. Sollten Sie entsprechende Pläne haben, können Sie hier buchen.
Wer einfach nur einmal Mäuschen spielen möchte, kann das so virtuell tun:
Ein italienischer Picasso - aus Sizilien? Das gibt bestimmt Mecker von Kunstkritikern! Aber fangen wir von vorne an - mit dem Bau der Villa Cattolica (brauner Marker 6 im Stadtplan).
Alleine die Größe der Villa Cattolica sagt uns schon, daß sie von einer sehr mächtigen Familie gebaut wurde - es war die Familie Bonanno. Bonanno? Bei allen Lesern, die sich ein wenig mit der sizilianischen Mafia beschäftigt haben, klingelt es jetzt wahrscheinlich.
Wir müssen sie allerdings enttäuschen: Die mafiösen Bonannos stammen zwar tatsächlich aus Sizilien, machten aber vor allen Dingen das New York des 20. Jahrhunderts unsicher. Familiäre Beziehungen zur den Gründern der Villa Cattolica sind nicht bekannt.
Heute ist die Villa Cattolica im Besitz der Stadt Bagheria. Ihr Zentrum ist die Dauerausstellung eines der "größten Söhne" der Stadt - des Malers Renato Guttuso. Er war ein sehr politischer Künstler und glich in dieser Hinsicht seinem Vorbild und Freund Pablo Picasso. Guttusos Entsprechung zu Picassos Antikriegs-Bild Guernica ist "Die Kreuzigung" (1941, s.u.).
Es löste wegen der nackten Maria Magdalena im katholischen Italien von 1941 einen Skandal aus - und machte Guttuso bekannter als je zuvor. Dieser wehrte sich dagegen, den Skandal absichtlich ausgelöst zu haben. Er wolle in dem Bild den Irrsinn menschlichen Handelns zeitlos darstellen. Hätte er die Protagonisten des Bildes bekleidet dargestellt, wäre es nur für die dazu passende Zeit gültig gewesen.
Tatsächlich war eines der Leitmotive Guttusos die "Abrechnung mit einer Welt der Gewalt" (art, Ausgabe 10/1991). Andererseits war Renato Guttuso Kommunist und ein gern gesehener Gast in Moskau. Einem Moskau nach Stalin zwar - aber für einen, der mit der Welt der Gewalt abrechnen will, ein etwas seltsamer Ort. Na gut - vielliecht nur aus heutiger Sicht.
In der Villa Cattolica sind die frühen Werke Renato Guttusos zu sehen. Sein Hauptwerk (u.a. Die Kreuzigung) können Sie in der Galleria Nazionale d'Arte Moderna in Rom bewundern. Dieses Video gibt einen kleinen Überblick über das Werk:
Kaum zu glauben - aber die Villa San Cataldo (brauner Marker 8 im Stadtplan) verdankt ihre Existenz Pisa, Florenz und der Familie Visconti. "Visconti" und "Sizilien" - da klingelt doch was? Genau, ein Spross dieser Familie war Luchino Visconti, Oskar-Preisträger und Regisseur des Sizilien-Films Der Leopard.
Sein Vorfahr Gabriele Maria Visconti war Anfang des 15. Jahrhunderts Baron von Pisa und verkaufte die Stadt 1406 an den Erzkonkurrenten Florenz. Das wiederum setzte Teile der alten Elite Pisas unter Druck. Sie packten ihre Siebensachen und zogen Richtung Sizilien. Alte Handelsbeziehungen zwischen Pisa und Palermo machten es ihnen leicht.
Unter ihnen befand sich auch Mitglieder der Familie Galletti. Sie gehörte bald zu den mächtigsten Feudalherren Siziliens. Und für die schickte es sich bekannterweise eine Barock-Villa in Bagheria zu bauen - die Villa San Cataldo. Im 19. Jahrhundert war dann Barock out und Gotik wieder in. Die Villa wurde komplett umgebaut und sieht daher heute eher aus wie eine Trutzburg. Sie ist mittlerweile Teil der juristischen Fakultät der Uni Palermo - ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Der große Garten allerdings, ist für Sizilien Urlauber mehr als interessant. Er wurde nicht umgestaltet und ist daher einer der wenigen originalen Gärten des sizilianischen Barocks. 2013 realisierte die Stadt Bagheria, welches Juwel sie damit hat. Der Garten wurde in Ordnung gebracht und für Bürger und Sizilien Urlauber geöffnet.
Das Bild oben entstand im Winter 2014/15. Der Winter ist perfekt für einen Besuch: Alles ist grün, die vielen Orangenbäume tragen Früchte und man hat all das fast für sich alleine. Tipp: Nehmen Sie eine Sitzmatte mit. Die Steinbänke des Gartens laden zu langen Pausen ein.
Die Villa Ramacca wurde im 18. Jahrhundert von der berühmten sizilianischen Adelsfamile Gravina gebaut und hat damit normannische Wurzeln und familiäre Verflechtungen mit der Familie Richard Wagners.
Das Ende der spanischen Herrschaft war auch das Ende der Villa Ramacca (brauner Marker 5 im Stadtplan). Zuerst wurde sie noch als Kaserne und Lazarett genutzt, verfiel dann aber zusehens. Am Ende kam die Ruine unter den Hammer und wurde vom bekannten Unternehmer Baldassarre Scaduto ersteigert. Heute ist die Villa Ramacca ein Ort für Tagungen, Empfängen und Hochzeiten. Sollten Sie entsprechende Pläne haben, können Sie hier buchen.
Den roten Teppich und Eingang der Villa Ramacca können Sie virtuell schon einmal mit diesem Panorama erkunden:
Nein, es ist kein Druckfehler: Das Museum für zeitgenössische Kunst in Bagheria (brauner Marker 9 im Stadtplan) hat tatsächlich schlicht den englischen Namen "Museum". Das ist aber nicht der Grund dafür, daß es in der internationalen Kunstszene viel bekannter als in seiner Heimatstadt Bagheria ist.
Die treibende Kraft hinter dem Museum ist der 1948 in Bagheria geborene Gallerist Ezio Pagano. Man erzählt sich, daß er noch in "kurzen Hosen" angefangen hätte sich mit der Künstler-Szene in Bagheria zu beschäftigen. Besonders beeinflusst hätten ihn der Maler Renato Guttuso, der spätere Regisseur und Oskar-Preisträger Giuseppe Tornatore und das spätere Mitglied der legendären Fotografen-Agentur Magnum, Ferdinando Scianna.
Vom Jura-Studium in Palermo gelangweilt, eröffnete Pagano 1965 die erste Gallerie Bagherias. Auch das langweilte ihn bald und so entstand kurz darauf seine zweite Gallerie - wieder in Bagheria. Bekanntlich sind aller guten Dinge drei, und so folgte bald eine dritte Gallerie. Ezio Pagano hatte sich inzwischen einen Ruf in der Kunstszene erarbeitet und so schaute sogar der große Renato Guttuso vorbei, um die allerneueste Gallerie zu eröffnen.
Pagano hatte jetzt genug zu tun und fing "erst" in den 90er Jahren an, über ein neues Projekt nachzudenken. Sein Ziel war die internationale Verbreitung zeitgenössischer Kunst aus Sizilien. Und so entstand das "Museum" - mit dem Untertitel "Osservatorio dell'arte contemporanea in Sicilia".
Internationale Aufmerksamkeit bekommt natürlich nur, wer in die Welt hinausgeht. Daher ist der Ausstellungsraum nur ein kleiner Teil der Aktivitäten. Für kunstbegeisterte Sizilien Urlauber lohnt sich ein Besuch aber allemal. Das Video gibt eine Überblick über die Ausstellung in Bagheria: